Standpunkt: An Pflegegrad 1 sparen ist instinktlos
Die Diskussion um die Abschaffung von Pflegegrad 1 ist unsinnig und nicht zukunftsweisend. Denn dessen Leistungen tragen dazu bei, dass Menschen länger zuhause leben können und Umzüge in ein Pflegeheim hinausgezögert werden.
Nach dem ausgebliebenen Sommer der Reformen hat die Politik den Herbst der Reformen ausgerufen. Und prompt einen tiefen Griff ins Klo gemacht. Im Gespräch ist eine Abschaffung des Pflegegrads 1, einer erst vor wenigen Jahren mühevoll erkämpften Errungenschaft.
Zugegeben: Wer sich ehrlich macht, weiß, dass wir Reformen brauchen, wenn wir das System nicht vor die Wand fahren wollen. Aber ausgerechnet an dieser Stelle anzufangen, zeigt, wie vollkommen instinktlos unsere Politiker unterwegs sind. Denn was bedeutet Pflegegrad 1?
Im Wesentlichen geht es um den Entlastungsbetrag von derzeit 131 Euro pro Monat. In der Regel werden davon einfache Unterstützungsleistungen im Haushalt eingekauft wie Hilfe beim Einkauf oder das Fensterputzen, für das die 94-jährige Oma, die ansonsten noch recht fit ist, auf der Leiter rumklettern muss. Kann das weg? Nein! Denn genau diese Unterstützung hilft dabei, häusliche Unfälle zu vermeiden und länger zuhause zu leben. Ebenso wie der Hausnotrauf und Förderungen für Maßnahmen, um das Wohnumfeld anzupassen.
Wer an dieser Stelle spart, programmiert unterm Strich höhere Kosten für Pflegeleistungen. Weil es früher ins Heim geht und das ungleich viel teurer wird.
Überhaupt ist die Summe, die damit eingespart werden kann, eher ein Witz. 1,8 Milliarden Euro an Einsparvolumen sind veranschlagt. Zum Vergleich: Am selben Tag, an dem die selten dämliche Kürzungsidee verkündet wurde, präsentierten zwei andere Ministerien stolz, dass sie 6 Milliarden Euro für Klimaschutzprojekte im Ausland bereitstellen. Dass da einiges eher Fragwürdiges dabei ist, wissen wir spätestens seit den berühmt-berüchtigten Radwegen in Peru. Wertschätzung für diejenigen, die das Land zu dem gemacht haben, was es ist, sieht anders aus.