Kategorie Veranstaltung Inklusion

„Gemeinsam sind wir mehr“

Von: Maria Wimmer

450 Athleten mit geistiger Behinderung haben im September an den Landesspielen der Special Olympics im Saarland teilgenommen, um sich für die nationalen Spiele im Juni zu qualifizieren, die ebenfalls im Saarland stattfinden.

Nach dem 1500-Meter-Lauf freuen sich die Athleten über ihre Medaille, darunter Levin (erster Platz) und Svenja Schwarz (dritter Platz). Links Athleten-Sprecherin Guilia Schembri. © Foto: Wimmer/VdK

„Ein Hoch auf uns, auf dieses Leben. Auf den Moment, der immer bleibt“, ertönt es aus den Lautsprechern. Auf der Bühne strecken vier Läufer und eine Läuferin ihre Arme in die Luft, genießen diesen Moment, werden gefeiert. Maciej von der Homburger Webersbergschule hat beim 1500 Meter-Lauf den fünften Platz gemacht. „Wir sind stolz. Das ist das erste Mal, dass er auf einer Bühne steht und für ihn einfach ein schönes Erlebnis“, sagt seine Mutter. Maciej ist einer von rund 450 Sportlern, die an den Landesspielen der Special Olympics teilnehmen, bei denen sich die Athleten für die Nationalen Spiele qualifizieren. Diese finden im Juni 2026 statt – ebenfalls im Saarland. Der Großteil der Wettkämpfe wird auf dem Sportcampus in Saarbrücken abgehalten. 

Nach jedem Wettbewerb gibt es eine Siegerehrung, begleitet von Liedern wie „Simply the best“, „It’s my life“ oder „Ich kann alles schaffen“. Auf der Bühne strahlende Gesichter, starke Emotionen, Freudentränen. „Jetzt kannst du weinen“, ruft ein Betreuer seinem Schützling zu, bevor er ihn fest umarmt. 

Tamara Saar, Physiotherapeutin an der Webersbergschule, bringt die Besonderheit der Special Olympics auf den Punkt: „Hier können Menschen mit Behinderungen zeigen, was sie können. Im Vordergrund stehen ihre Fähigkeiten und nicht ihre Defizite. Das stärkt ihr Selbstwertgefühl, weil sie trotz Behinderung ein sportliches Erfolgserlebnis haben.“ Zehn Schülerinnen und Schüler zwischen 10 und 17 Jahren nehmen an den Landesspielen teil und werden dabei von vier Lehrkräften begleitet. In einer Lauf-AG haben sie jede Woche trainiert, darunter auch ein Mädchen im Rollstuhl, das an einem Rollstuhl-Rennen teilnehmen kann. „Wir sind hier als Team, das stärkt das Wir-Gefühl. Toll ist hier auch, dass jeder jeden anfeuert, egal von welcher Schule oder welchem Verein er kommt. Man freut sich miteinander“, sagt Tamara Saar. Neben den Förderschulen sind es Vereine sowie Werkstätten und Wohnheime für Menschen mit Behinderungen, die die Athleten bei den Special Olympics begleiten.

Auch Levin, der als Athleten-Sprecher schon im Saarländischen Rundfunk zu sehen war, ist sichtlich zufrieden mit seinem ersten Platz beim 1500-Meter-Lauf. „Ich bin 100 Prozent stolz. Ich habe lange trainiert und bin 100 Prozent schnell, und es macht Spaß“, sagt Levin und fügt hinzu, dass er FCS-Fan ist und abends noch zur Athleten-Disco gehen wird. Später möchte der 17-jährige Schüler der Biedersberger Schule gerne am Neunkircher Zoo arbeiten. 

Rund zehn Prozent der Athleten stammen nicht aus dem Saarland, sondern aus anderen Bundesländern oder etwa aus Luxemburg. Grund für ihre Teilnahme ist zum Beispiel, dass eine Disziplin in ihrem Bundesland nicht angeboten wird, wie etwa Rollerskating. Oder weil sie Wettkampferfahrung sammeln möchten, wie Svenja Schwarz, die mit ihrem Vater aus Hessen angereist ist und drei bis vier Mal pro Woche trainiert. Beim 1500-Meter-Lauf hat sie mit 6:32 Minuten die Bronze-Medaille geholt – und stand in ihrer Leistungsgruppe als einzige Frau auf der Bühne. 

Bei den Special Olympics werden die Athleten nach ihren Fähigkeiten in Gruppen aufgeteilt, damit möglichst Gleichstarke gegeneinander antreten und jeder die Chance hat, eine Medaille zu gewinnen. Im Vordergrund steht das Erfolgserlebnis, nicht der Vergleich mit anderen. „Ich hätte schon gerne Gold geholt, aber es nicht schlimm, ich bin auch mit Bronze zufrieden“, sagt Svenja, die bereits bei den hessischen Landesspielen die Goldmedaille gewonnen und sich dadurch für die Nationalen Spiele qualifiziert hat. Im Saarland hat sie ihre Zeit sogar verbessert, betont ihr Vater, außerdem sei sie als einzige Frau mitgelaufen. Zum ersten Mal zu Besuch im Saarland, freut sich Svenja, im Juni wieder hin zu sein. „Wir wurden super angefeuert, es war eine richtig tolle Atmosphäre und sehr gut organisiert.“

Dass die Organisation viel Arbeit mit sich bringt, bestätigt Alex Indermark, Präsident der Special Olympics Saarland. Ein Verein, der 2007 gegründet wurde und 2017 die ersten Landesspiele ausgerichtet hat. Die zweiten Landesspiele mussten 2021 wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden. 

In Zahlen: Rund 1500 Menschen sind bei den Special Olympics dabei, davon etwa 450 Athleten. Hinzu kommen Betreuer sowie rund 600 Freiwillige („Volunteers“), darunter viele Studenten. Allein auf dem Sportcampus versammeln sich in drei Tagen über 1000 Menschen. „Wir haben bei den Special Olympics höhere Anforderungen an die Barrierefreiheit und einen höheren Betreuungsschlüssel. Unser Programmheft ist in leichter Sprache geschrieben“, sagt Indermark. Das Ziel der Special Olympics ist dort einfach zusammengefasst: Sie bringen Menschen zusammen und machen sie stolz und selbstbewusst. 

„Hier geht es darum, die Leistungen von Menschen mit Beeinträchtigungen in den Fokus zu rücken und anzuerkennen, im Sport wie im Alltag. Und damit das Vorurteil zu entkräften, sie würden nichts können“, sagt Indermark. „Sport ist ein einfaches Medium, um Inklusion zu schaffen“, ergänzt Xenia Hülsmann, Geschäftsführerin der Special Olympics Saarland. „Menschen mit geistigen Behinderungen werden häufig an den Rand geschoben. Unser Ziel ist, Aufmerksamkeit und Inklusion zu schaffen – und Begegnungen zwischen mit Menschen mit und ohne Behinderungen.“ Das passiert unter anderem beim „Unified Sport“, wenn Teams gemischt werden und als Staffel zusammenlaufen. 

Wer noch nicht bereit für einen Wettbewerb ist oder körperlich nicht dazu in der Lage, kann sich beim wettbewerbsfreien Angebot an 12 Stationen ausprobieren, welche Sportart möglich wäre. Ein Angebot, das offen für alle ist, und von vielen Kitas und Förderschulen genutzt werde, sagt Christina Scheffler-Dupré. Ob Saarland-Puzzle, Regenstiefel werfen, Boccia, Touch-Tennis oder Enten angeln – Bewegung soll Spaß machen und dabei Balance und Koordination trainieren. Zum Abschluss gibt es auch hier eine Siegerehrung mit Tanz. „Hier sind alle gleich, es gibt keine Gewinner oder Verlierer. Es geht darum, sich zu bewegen und auszuprobieren und die Freude am Mitmachen.“ 

Dass es bei Special Olympics um weitaus mehr als Sport geht, vermittelt Athleten-Sprecherin Guilia Schembri, die im Orga-Team Halt und Freundschaft gefunden hat. „Es geht darum, anderen zu zeigen, was wir bewegen und bewirken können. Darum, sichtbar zu sein. Verbunden zu sein. Dass Menschen mit und ohne Behinderung zusammen sind. Das Gefühl von Freundschaft, Liebe und Geborgenheit. Zu wissen, ich bin nicht allein, jemand ist für mich da. Gemeinsam sind wir mehr. Dass wir uns nicht ausgeschlossen fühlen, denn wir wollen auch dazu gehören!“

 

Special Olympics

Die Special Olympics sind ein Wettbewerb für Menschen mit geistigen Behinderungen, dazu zählen auch Lernbehinderungen, Entwicklungsverzögerungen Autismus oder schwerst-mehrfach Behinderungen. Mit rund 450 Sportlern ist es die größte inklusive Sportveranstaltung im Saarland. Bei den Landesspielen der Special Olympics qualifizieren sich die Athleten für die Nationalen Spiele, die im Juni 2026 im Saarland stattfinden. Der Großteil der Wettkämpfe findet auf dem Sportcampus in Saarbrücken statt: Boccia, Leichtathletik, Tischtennis, Basketball und rhythmische Sportgymnastik. Weitere Disziplinen: Tennis (Sulzbach), Rollerskating (Schiffweiler) und Schwimmen (St. Ingbert). Bei den nationalen Spielen werden über 4000 Athleten in mehr als 20 Sportarten an den Start gehen. Wer das Ereignis unterstützen möchte, kann sich als „Volunteer“ melden: 

Externer Link:https://specialolympics.de/saarland2026/volunteering