
„Die Zahl der Sozialwohnungen ist völlig unzureichend“
Laut Pestel-Institut fehlen im Saarland 16.000 Wohnungen. Wie mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen kann und was das Land unternimmt, war Thema einer Podiumsdiskussion, an der auch Bauminister Jost teilnahm.

Die Zahl von aktuell 826 Sozialwohnungen im Saarland sei völlig unzureichend, sagte Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts bei einer Veranstaltung unter dem Titel „Bezahlbarer Wohnraum – Zeit für eine mutige Landespolitik“ Anfang Juli. Angesichts 104.000 Menschen, die soziale Mindestsicherungsleistungen wie Bürgergeld oder Grundsicherung beziehen, sei eine deutliche Steigerung erforderlich. Zu der Veranstaltung hatte die Arbeitskammer zusammen mit dem VdK, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Industriegewerkschaft Bauen-Agar-Umwelt eingeladen. Sie gehören dem Bündnis „Bezahlbarer Wohnraum Saar“ an, das vor einem Jahr gegründet wurde und einen Neustart in der saarländischen Wohnungspolitik gefordert hat.
Hohe Wohnkosten
Die im Bundesvergleich eher niedrigen Kaltmieten könnten das Wohnungsproblem nicht ausgleichen, erläuterte Günther. Denn das Saarland hat nicht nur die wenigsten Sozialwohnungen pro Einwohner, sondern wegen der hohen Zahl alter und sanierungsbedürftiger Gebäude auch den höchsten Energiebedarf. Mieter müssen deshalb hierzulande 40 Prozent ihres Einkommens ins Wohnen stecken – so viel wie in keinem anderen Bundesland. Hinzu kommt, dass die Mieten im Saarland in den vergangenen vier Jahren deutlich stärker gestiegen sind als in Ballungsgebieten wie München oder Stuttgart.
Bundesmittel abrufen
Um den Bundesschnitt zu erreichen, fehlen laut Pestel-Institut derzeit 13.100 Sozialwohnungen. Auf 1000 Mieterhaushalte umgerechnet heißt das: statt derzeit vier Sozialwohnungen müssten es 67 sein. Ein Grund für den Wohnungsmangel ist laut Günther, dass das Land zur Verfügung gestellte Bundesmittel nicht abgerufen habe.
Eine Lösung sieht Günther in der Aktivierung von Leerständen. Davon gibt es derzeit rund 30.000, allerdings stehen weit mehr als die Hälfte länger als ein Jahr leer und dem Markt daher praktisch nicht zur Verfügung. Dabei handele es sich zumeist um Wohnungen in Zwei- oder Mehrfamilienhäusern, Wohnungen von Erbengemeinschaften oder Gebäude mit Sanierungsstau.
Barrierearme Wohnungen schaffen
Günther warnte auch vor einer massiven Lücke an seniorengerechten Wohnungen bis 2050. Auch der VdK weist regelmäßig darauf hin, dass die Zahl älterer Menschen bis 2035 um 45.000 zunehmen wird und schon jetzt rund 40.000 barrierearme Wohnungen fehlen. Aus Sicht des Sozialverbands müssen bestehende Förderprogramme intensiviert und mehr rollstuhlgerechte Wohnungen gebaut werden.
Leerstände reduzieren
Auch für Menschen mit mittlerem Einkommen wird es immer schwieriger, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Das allgemeine Wohnungsdefizit liegt laut Pestel-Institut aktuell bei knapp 16.000 Wohnungen. Diese Zahl könnte auf 6000 reduziert werden, wenn 60 Prozent der Leerstände reaktiviert würden, so Günther. Oder es müsste rund sieben Mal so viel gebaut werden. Doch der Trend geht in die andere Richtung: 2024 wurden laut Statistischem Bundesamt im Saarland 1400 Wohnungen fertiggestellt, fast 50 Prozent weniger als im Vorjahr und nur die Hälfte im Vergleich zum Bundesschnitt. Auch im ersten Quartal 2025 war die Zahl der Baugenehmigungen rückläufig.
Die wichtigste Maßnahme sei hier die Schaffung eines seriösen Zwischenmieters, zum Beispiel in Form einer Wohnungsbaugesellschaft, um Vorbehalte gegenüber einer Vermietung zu begegnen. Beispielsweise beim Projekt „Wohnraumakquise“ vermittelt der Regionalverband Saarbrücken zwischen Menschen, die Sozialleistungen beziehen und privaten Vermietern. Die Miete kann direkt durch das Jobcenter oder Sozialamt beglichen und das Mietverhältnis durch soziale Arbeit begleitet werden.
Energetisch sanieren
Wichtig sei aber auch, energetische Sanierungen der im Saarland besonders stark verbreiteten alten Wohnungen zu fördern, um die steigenden Heizkosten in den Griff zu bekommen. Zudem müssten die Kommunen darin gestärkt werden, Belegungsrechte am privaten Wohnungsbestand anzukaufen, um preisgebundenen Wohnraum zu schaffen. Eine weitere Möglichkeit sei der Umbau von gewerblich genutzten Flächen und die Aufstockung von Gebäuden sowie die Erhöhung der Bindungsfristen bei Sozialwohnungen auf mindestens 25 Jahre.
Öffentliche Wohnbaugesellschaften sind der Schlüssel
Ein weiteres Problem im Saarland: Die Zahl der öffentlichen, gemeinwohlorientierten Wohnungsbaugesellschaften ist hierzulande mit etwa sieben Prozent so niedrig wie in keinem anderen Bundesland (Bundesschnitt: etwa 23 Prozent). Um einen preisdämpfenden Effekt auf dem Markt zu haben, müsse diese Zahl bei 30 Prozent liegen, so Günther. Auch aus Sicht des VdK sind die öffentlichen Wohnbaugesellschaften des Landes und der Kommunen der zentrale Schlüssel zum Bau von Sozialwohnungen.
Kritik äußerte der Leiter des Pestel-Instituts auch daran, dass das Saarland zu wenig eigene Finanzmittel einsetze. „Andere Bundeländer setzen zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus sogar zusätzlich erheblich mehr Eigenmittel ein als mit dem Bund vereinbart.“ Er appellierte an die Landesregierung, rasch zu handeln und nicht auf einen großen Wurf des Bundes zu warten.
Mietpreisbremse einführen
Dass der soziale Wohnungsbau nicht am Geld scheitert, ist kein Geheimnis. Der VdK Saarland bemängelt seit Langem, dass das Land die jährlich zur Verfügung stehenden Bundesmittel von aktuell 42 Millionen Euro pro Jahr gar nicht oder nur unzureichend abruft. Darum forderte der VdK im Vorfeld der Veranstaltung in einer Pressemitteilung, die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften stärker in die Verantwortung zu nehmen und die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau endlich vollständig abzurufen. Eine weitere Forderung: Die seit 2015 bestehende Möglichkeit, Gebiete mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu bestimmen, endlich zu nutzen. Denn neben Sachsen-Anhalt ist das Saarland das einzige Bundesland, das keine entsprechende Rechtsverordnung erlassen hat – ohne diese können die Kommunen derzeit keine Mietpreisbremse umsetzen.
Neue Landesbauordnung
Bauminister Reinhold Jost, seit 2022 im Amt, konterte, dass in seiner Amtszeit die Landesbauordnung „entrümpelt“ und die Mittelaufrufe verdreifacht worden seien. In drei Jahren sei mehr erreicht worden, als in den letzten 30 Jahren als notwendig erachtet worden sei. Der Andrang auf das 2025 überarbeitete Wohnraumförderungsprogramm sei so groß, dass die Saarländische Investitionskreditbank neue Stellen zu Bearbeitung der Förderanträge schaffen müsse, so Jost. Aktuell seien 1500 zusätzliche Sozial- und Studentenwohnungen in der Planung. 41 Projekte würden mit 160 Millionen Euro gefördert.
Bezahlbarer Wohnraum sei Daseinsvorsorge, unterstrich Thomas Kreten von der IG BAU. Er kritisierte, dass vom Bauantrag bis zum Einzug im Schnitt 2,5 Jahre vergingen. Minister Jost entgegnete, dass die Genehmigungsverfahren in den zwölf Unteren Bauaufsichtsbehörden mit der neuen Landesbauordnung wohl wesentlich schneller laufen werden.
Auch wenn sich einiges tut: Ob die Landesregierung ihr selbst gestecktes Ziel, bis 2027 zumindest 5.000 Sozialwohnungen zu erreichen – so viel, wie es im Jahr 2005 bereits gab – erreicht, bleibt abzuwarten.
