Den VdK attraktiver für Jüngere machen
Wissen für pflegende Eltern bündeln und den VdK bei Jüngeren bekannter machen – das sind Ziele von Sascha Major, der im Oktober in die Kommission der jüngeren Mitglieder des VdK Deutschland gewählt worden ist.

Wo gibt es Hilfe für pflegende Eltern? Worauf haben sie Anspruch? Wie können sie in der Pflege besser unterstützt werden? Antworten auf solche Fragen will Sascha Major sammeln und bündeln. Der stellvertretende Vorsitzende des Ortsverbandes Süd-Warndt ist im Oktober als stellvertretender Vorsitzender in die Kommission der jüngeren Mitglieder des VdK Deutschland gewählt worden.
Der 42-Jährige kennt die Probleme pflegender Eltern aus eigener Erfahrung: Die Tochter seine Frau Anja, die sich ebenfalls im Vorstand des Ortsverbandes engagiert, hat ADHS und Autismus. „Gerade bei Autismus-Spektrum-Störungen fehlt es oft an Wissen und kompetenter Beratung. Eltern müssen sich das Meiste selbst erarbeiten“, sagt Major. Obwohl das Saarland ein kleines Bundesland ist, fehle es an Vernetzung. Sein Ziel ist es, ein Netzwerk zu schaffen, das pflegende Eltern mit den nötigen Informationen und Ansprechpartnern versorgt – egal, um welche Einschränkung es sich handelt. Auch Kitas, Schulen, Ärzte und Behörden sollten in diese Vernetzung eingebunden werden.
„Viele Eltern wissen nicht, dass sie Anspruch auf einen Pflegegrad haben oder scheuen sich davor, einen Antrag zu stellen. Bei körperlichen Behinderungen, die sichtbar sind, funktioniert die Beratung noch relativ gut, aber bei seelischen Behinderungen, die eben nicht sichtbar sind, werden viele Eltern alleingelassen und wissen nicht, wo sie Hilfe bekommen können“, sagt Major.
Eigene Betroffenheit
Auch hier spricht er aus eigener Betroffenheit, denn der 42-Jährige leidet an der Darmerkrankung Morbus Crohn. Das führte in seiner Jugend zu hohen Fehlzeiten in der Schule, woraufhin das Jugendamt eine medizinische Untersuchung anregte, was schließlich zur Diagnose der damals noch wenig bekannten Krankheit führte. Er muss sein Leben lang Medikamente nehmen, auch ein Stück Darm wurde inzwischen entfernt, um die Symptome wie Durchfälle oder Krämpfe zu mindern.
„Wir haben uns viel Wissen erarbeitet, das wir weitergeben wollen. Wir können aber nicht alle beraten. Darum möchten wir die Infos und Ansprechpartner auf einer Art Liste bündeln, die dann betroffenen Eltern oder Pflegepersonen – auch durch Ehrenamtliche im VdK – zur Verfügung gestellt werden kann.“ Geplant sei ein Stammtisch für Ehrenamtliche unter 50 Jahren, um diese für die Bedürfnisse jüngerer Menschen zu sensibilisieren.

Denn die Familie weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, wenn Behinderungen nicht erkannt und anerkannt werden – gerade bei Autismus fehle es an Wissen. „Ich habe den Nachbarn erklären müssen, dass ich mein Kind nicht misshandele, sondern nur die Haare bürste, weil sie so hysterisch geschrien hat. Denn sie empfindet Dinge als schmerzhaft, die für andere völlig normal sind. Sie hat auch eine extreme Bindung an Gegenstände, Routinen und ihr gewohntes Umfeld. So hat es Jahre gedauert, bis sie von einem Zimmer ins andere wechseln konnte. Einmal habe ich mir die Haare getönt – das war für sie so eine krasse Veränderung, dass sie in eine Schockstarre gefallen ist“, sagt Anja Major. Auch die Einnahme der Medikamente oder das Zähneputzen sei über Jahre ein Kampf gewesen. Hier braucht es aus Sicht der Familie mehr Unterstützung durch eine Art „Elternschule“, damit Angehörige in der Pflege besser angelernt werden.
In Urlaub fährt die Familie immer in dasselbe Hotel. „Der erste Urlaub war eine Katastrophe, aber danach hat sie alles gekannt. Würden wir nur ein Hotel weiter gehen, wäre es wieder ein Drama. Wer das selbst nicht erlebt hat, kann es nur schwer nachvollziehen“, sagt Anja Major. Als Beispiel nennt sie die Figur Sheldon aus der US-Serie „Big Bang Theorie“. Der Charakter weist viele Verhaltensweisen auf, die an Autismus erinnern: er hat Probleme in der zwischenmenschlichen Kommunikation, kann Gefühle anderer oder sarkastische Äußerungen nicht verstehen und sich nicht in andere hineinversetzen. Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst ist ihrer Ansicht nach zu stark auf die Pflege und Einschränkungen älterer Menschen ausgerichtet. Jüngere Menschen mit seelischen Behinderungen würden durchs Raster fallen, da viele Fragen auf Einschränkungen der Mobilität oder von kognitiven Leistungen etwa durch Demenz abzielten.
Lesen und Schreiben lernte ihr Kind schließlich über Gebärdensprache, weil der normale Unterricht nicht funktionierte und manche Lehrer nicht damit umgehen konnten. Deshalb brauche es mehr Wissen und Sensibilität von pädagogischen Fachkräften an Kitas und Schulen. „Wenn ein Kind auffällig ist, könnte es an einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) leiden. Häufig heißt es aber, es wäre einfach faul.“
Unwissenheit bestehe auch darüber, wie viel Betreuung ein junger Mensch mit Autismus braucht. „Meine Tochter kann zwar allein zur Schule fahren, sie würde aber nicht rechtzeitig aufstehen und Sachen vergessen wie den Ranzen oder die Jacke. Sie könnte ihr Leben nicht allein gestalten, denn sie muss an vieles erinnert werden.“ Ihre Mutter muss immer erreichbar sein, falls die Tochter abgeholt werden muss – weil ihr die Reize zu viel sind oder sie einen Migräneanfall hat. Dann brauche sie Ruhe und ziehe sich zurück. „Das würde kein Arbeitgeber mitmachen. Berufstätig zu sein, ist nicht möglich“, sagt Anja Major, die aufgrund einer orthopädischen Erkrankung erwerbsgemindert ist.
Pflegende Eltern stärken
„Ohne ihre Erwerbsminderungsrente könnten wir als Familie nicht überleben. Wäre sie jetzt noch alleinerziehend, wäre sie finanziell am Limit“, sagt Sascha Major, der als Speditionskaufmann arbeitet und früher als Fernfahrer Autotransporter durch Europa gefahren hat. „Wer sein Kind pflegt, sägt an der Altersarmut, weil Berufstätigkeit in der Regel nicht möglich ist“, sagt der 42-Jährige. Darum findet er es wichtig, dass sich der VdK für eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige einsetzt. Der besondere Kündigungsschutz, der für Menschen mit Behinderungen gilt, sollte aus seiner Sicht auf die pflegenden Eltern übertragen werden.
Zum VdK kam Sascha Major nicht nur durch seine eigenen Erkrankungen, sondern auch durch seinen Vater Uwe, der seit 1992 Mitglied im VdK ist. Nach einem schweren Unfall als Dachdecker im Jahr 1996 konnte dieser nicht mehr in seinen Beruf zurückkehren und engagierte sich anschließend als Vorsitzender des Ortsverbandes Süd-Warndt, sein Sohn ist seit 2009 im Vorstand dabei.
Als Vertreter der jüngeren Mitglieder will Sascha Major, der seit April auch Behindertenbeauftragter der Gemeinde Großrosseln ist, den Sozialverband attraktiver für jüngere Menschen machen, die ihn meist gar nicht kennen würden. „Für viele ist der VdK ein Verband der Rentner oder Kriegsveteranen. Er ist aber auch ein Verband für Familien und Kinder und hier eine wichtige sozialrechtliche Unterstützung, was viele nicht wissen. Ich möchte den VdK bei jüngeren Menschen bekannter machen, etwa durch Besuche an Schulen oder Kitas.“ Wobei jung für ihn keine Frage des Alters ist, denn „auch ein 60-Jähriger kann als pflegender Vater betroffen sein“. Dass er sich ehrenamtlich engagieren kann, verdanke er auch seiner Frau: „Sie hält mir den Rücken frei.“