Kategorie Ehrenamt Frauen

„Viele wissen zu wenig über ihre Rechte“

Von: Maria Wimmer

Als Volljuristin berät Nadine Zimmermann Arbeitnehmer zum Arbeits- und Sozialrecht. Im sozialpolitischen Ausschuss will sich die 42-Jährige, die beim Landesverbandstag in den Landesvorstand gewählt wurde, mit Familienpolitik befassen. 

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nach wie vor eher eine Sorge der Frauen. © Unsplash

Wenn Nadine Zimmermann etwas ungerecht findet, muss sie es ansprechen. Ihr Gerechtigkeitssinn führte die Nalbacherin zu einem Jurastudium mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht in Saarbrücken. Zehn Jahre lang arbeitete sie als Volljuristin bei der Industriegewerkschaft (IG) Bauen-Agrar-Umwelt Rheinland-Pfalz/Saar, mit 200.000 Mitgliedern bundesweit die fünfgrößte Einzelgewerkschaft des DGBkurz fürDeutscher Gewerkschaftsbund.

In Saarbrücken und Kaiserslautern berät sie bis Ende März Gewerkschaftsmitglieder zu Fragen des Arbeits- und Sozialrechts. Als Gewerkschaftssekretärin setzte sie sich für die Interessen von Arbeitnehmern ein – etwa für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen oder transparente Arbeitsverträge. Ab April berät die 42-Jährige im Arbeits- und Sozialrecht bei der Arbeitskammer des Saarlandes in Saarbrücken.

Bei der Beratung hat sie sich angewöhnt, auf Augenhöhe und nicht im „Juristendeutsch“ zu sprechen, um verstanden zu werden. Die Fragen seien sehr vielfältig. Häufig gehe es um Fehler in der Lohnabrechnung und nicht bezahlte Arbeitstage, Urlaubsgelder oder eine fehlende Lohnfortzahlung. „Besonders schlimm ist es, wenn der Lohn vor Weihnachten nicht gezahlt wird. Die meisten Fälle bei meiner alten Tätigkeit kamen aus dem Bereich der Gebäudereinigung und des Bauhauptgewerbes, das waren die mitgliederstärksten Bereiche“, sagt Zimmermann.  Die 42-Jährige fertigt dann eine Geltendmachung an und setzt den Arbeitgebern eine Frist zur Nachzahlung. „Die meisten Unternehmen bezahlen jedoch korrekt.“

Nadine Zimmermann.

Zu ihr kommen auch Arbeitnehmer, die eine Abmahnung erhalten haben, dann wird der Sachverhalt gemeinsam besprochen und eine Gegendarstellung erstellt.  Oder Menschen, die von ihrem Arbeitgeber einfach ohne Grund von der Sozialversicherung abgemeldet wurden oder deren Krankengeld ausläuft. Nadine Zimmermann berät auch darüber, welche Auswirkung eine hohe Abfindung auf Sperrzeiten bei der Agentur für Arbeit haben kann, während der vorübergehend kein Arbeitslosengeld gezahlt wird. Und natürlich kontrolliert sie Arbeitsverträge oder gibt Tipps, wie ein rechtssicherer Aufhebungsvertrag aussehen muss.

Ein weiteres wichtiges Thema ist der Arbeitsschutz. „Einmal hat sich ein Arbeiter gemeldet, weil der Radlader keinen TÜV mehr hatte, die Bremsen abgefahren waren und das Licht nicht funktionierte, so dass er sich geweigert hat, das Fahrzeug zu bedienen. Oder es melden sich schwangere Frauen, die ohne Schutz mit aggressiven Mitteln reinigen sollen“, erzählt Nadine Zimmermann.

Auch Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten wie COPD oder Asbestose fielen in ihren Bereich. „Im Baugewerbe ist der kaputte Rücken oder die kaputten Knie durchs Fliesenlegen Standard, diese Leiden werden aber leider von der Berufsgenossenschaft oft nicht als berufsbedingt anerkannt. In vielen Branchen, in denen so hart gearbeitet wird, halte ich das Renteneintrittsalter für völlig utopisch. Viele Menschen sind zu krank, um zu arbeiten und müssen früher aufhören. Doch die Erwerbsminderungsrenten sind viel zu niedrig“, sagt Nadine Zimmermann, die einen Anstieg der Sozialrechtsfälle in der Beratung beobachtet. Wer so lange und so hart gearbeitet hat, sollte auch von seiner Rente leben können und nicht zur Tafel gehen müssen, findet die 42-Jährige.

Ihren Weg zum VdK fand sie nicht nur wegen ihres beruflichen Engagements, sondern auch durch einen privaten Schicksalsschlag, als ihr Partner vor einem Jahr an einem Hirntumor erkrankte. „In so einer Situation merkt man, wie wichtig ein Sozialrechtsschutz ist. Bei uns ist alles gut gegangen, aber bei vielen anderen geht es nicht gut. Ob Gewerkschaft oder Sozialverband – wenn man sich einer großen Gemeinschaft anschließt, kann man politisch viel erreichen“, sagt Zimmermann. Beim Landesverbandstag wurde die Mutter eines siebenjährigen Sohnes als sozial erfahre Person in den Landesvorstand gewählt. Im sozialpolitischen Ausschuss will sich die Juristin mit familienpolitischen Fragen, Kinderarmut und den Problemen von Alleinerziehenden befassen.

Denn Frauen haben aus ihrer Sicht die schlechtere Rolle und wissen teilweise zu wenig über ihre Rechte, insbesondere im Arbeitsrecht. Ganz oft würden Frauen benachteiligt – sei es beim Rückkehrrecht an den ursprünglichen Arbeitsplatz, bei der Aufteilung der Sorgearbeit in der Familie oder beim Aufstieg in Führungspositionen.

Große Unwissenheit

„Ich erlebe immer wieder, dass Frauen nach der Rückkehr in den Job ohne ersichtlichen Grund in einen anderen Bereich versetzt werden.“ Ein weiteres Beispiel sei das Reduzieren oder Aufstocken der Stunden nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. „Hier herrscht große Unwissenheit über die gesetzlichen Möglichkeiten. Väter nehmen in der Regel kaum Kinderkrankentage in Anspruch. Dabei ist es sogar so, dass jedes Elternteil pro Jahr mehrere Tage mit Bezahlung vom Arbeitgeber zuhause bleiben kann. Trotzdem verweisen viele Arbeitgeber sofort an die Krankenkasse. Dies bedeutet für die meist teilzeitbeschäftigten Mütter dann direkt auch Einkommenseinbußen. Für den Arbeitgeber ist damit klar, dass es die Mütter sind, die öfter ausfallen – das ist klar zum Nachteil der Frauen“, sagt Zimmermann. Viele Frauen würden sich unter Wert verkaufen und nicht klar fordern, was sie wollen. „Sagt eine Frau, was sie will, gilt sie als zickig – Männer hingegen als ehrgeizig.“ 

Auf ihre neue Tätigkeit bei der Arbeitskammer des Saarlandes freut sich Nadine Zimmermann. Dort berät sie dann die saarländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiterhin im Arbeits- und Sozialrecht.