Keine echte Wahlfreiheit für Beamte mit Behinderung
Beamte, die sich gesetzlich krankenversichern lassen, müssen auch den Arbeitgeber-Anteil selbst bezahlen. Gerade für Menschen mit Behinderung oder Vorerkrankungen eine hohe finanzielle Belastung. Das Saarland prüft jetzt das Hamburger Modell, bei dem Beamte eine Pauschale zurückerhalten. Dies fordert der VdK seit zwei Jahren.

Aufgrund einer frühkindlichen Hirnschädigung ist ihre Bewegungsfähigkeit eingeschränkt: Doch das hält die inzwischen 26-jährige Tochter von Birgit Jung nicht davon ab, an der Fachhochschule für Verwaltung in Göttelborn zu studieren. Dennoch werden ihrer schwerbehinderten Tochter Steine in den Weg gelegt, findet ihre Mutter. Denn Beamte im Saarland, die sich für die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden, müssen den vollen Krankenversicherungsbeitrag bezahlen. In der privaten Krankenversicherung (PKVkurz fürPrivate Krankenversicherung) bekäme sie Geld über die individuelle Beihilfe zurück. „Mehrere private Krankenversicherungen haben gleich abgelehnt wegen der Vorerkrankungen, das wäre viel zu teuer. Selbst wenn sie rein kommen würde, dann nur mit Risikoaufschlag und dem Ausschluss von bestimmten Vorerkrankungen“, sagt Jung.
Doch seit 2019 können Beamtenanwärter, auch Beamte auf Widerruf genannt, innerhalb bestimmter Fristen über die sogenannte Öffnungsklausel in die PKVkurz fürPrivate Krankenversicherung aufgenommen werden – ohne Ablehnung aus Risikogründen und ohne Leistungsausschlüsse und mit einem maximalen Risikozuschlag von 30 Prozent. Allerdings nehmen nicht alle privaten Krankenversicherungsunternehmen daran teil. Eine Auflistung der sich beteiligenden Privaten Krankenversicherungsunternehmen kann beim Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. angefragt werden.
Doch selbst wenn der Anbieter sich an der Öffnungsaktion beteiligt, ist dies oftmals innerhalb der Krankenversicherung selbst nicht bekannt, so dass Antragsteller trotzdem zunächst abgelehnt werden, so die Erfahrung von Norbert Minninger, der sich als ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Schwerbehindertenvertretungen des öffentlichen Dienstes im Saarland (ASGV Saarland) schon vor Jahren für eine Öffnung eingesetzt hatte. Diese wurde im Jahr 2000 umgesetzt, allerdings nicht für Beamtenanwärter, die erst 2022 davon profitierten. Norbert Minninger berät dazu heute noch Betroffene in ganz Deutschland.
Jungs Tochter entschied sich für die gesetzliche Krankenversicherung. Der volle Beitrag liegt laut ihrer Mutter derzeit bei 260 Euro monatlich – bei einem Einkommen von etwa 1200 Euro. „Menschen mit Behinderung werden von vielen privaten Krankenversicherungen abgelehnt und in der gesetzlichen Krankenversicherung müssen sie den vollen Beitrag zahlen. Das ist einfach ungerecht und schreckt auch viele davon ab, diese Laufbahn einzuschlagen – und das in Zeiten des Fachkräftemangels“, sagt Jung. Sie befürwortet das Hamburger Modell, bei dem Beamten in der gesetzlichen Krankenversicherung die Hälfte des KV-Beitrags als Pauschale erstattet wird.
Auch der VdK fordert seit zwei Jahren die Einführung dieses Modells, das das saarländische Finanz- und Innenministerium jetzt prüfen wollen. Der VdK begrüßt diese Initiative. „Auch die saarländische Landesregierung ist jetzt aufgefordert, zu handeln und diese immer noch bestehende Gerechtigkeitslücke zu beenden“, sagt VdK-Landesvorstandsmitglied Karin Lawall. Ziel ist, die Benachteiligung insbesondere von chronisch erkrankten und behinderten Landes- und Kommunalbeamten im einfachen, mittleren und gehobenen Dienst zu lindern.
Mehrere VdK-Mitglieder mit schweren Vorerkrankungen oder Behinderungen hatten berichtet, dass sie von privaten Krankenversicherungen abgelehnt oder nur mit hohen Zuschlägen aufgenommen würden, weshalb sie sich gesetzlich versichern ließen. Das bedeutet, dass sie den vollen Krankenversicherungsbeitrag zahlen, ohne den hälftigen Anteil des Arbeitgebers zu den Krankenversicherungsbeiträgen und ohne individuelle Beihilfe, die nur bei der privaten Krankenversicherung gezahlt wird.
„Hier geht es nicht um Privilegien, sondern um die hohe finanzielle Belastung von Beamtinnen und Beamten mit kleinem Einkommen und gesundheitlichen Problemen. Für sie würde insbesondere im Alter die pauschale Beihilfe eine spürbare finanzielle Entlastung bedeuten. Mit einer Reform könnten sie zukünftig zu fairen Konditionen selbst entscheiden, welche Versicherungsform ihren Bedürfnissen am ehesten entspricht. Und: Wettbewerb funktioniert am besten, wenn die Bedingungen für alle gleich sind und Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden“, sagt Lawall.