Kategorie Sozialrecht Gesundheit

Hohe Hürden bei Anerkennung von Corona als Berufskrankheit

Wer sich im beruflichen Umfeld mit Corona infiziert, hat unter Umständen Anspruch auf den Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Doch die Hürden sind hoch.

Wer an Long-Covid erkrankt, ist oft nicht mehr belastungsfähig. © Unsplash

Zum Höhepunkt der ersten Corona-Welle hat Herbert H. (Name geändert) eine Pflegeeinrichtung geleitet und sich mit Corona infiziert. An den Folgen leidet er bis heute. Seine Lunge ist geschädigt, er hat Herzprobleme und zeitweise seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Bis heute wurde sein Antrag auf Anerkennung als Berufskrankheit nicht anerkannt, obwohl die Infektion bereits zwei Jahre her ist. Deshalb suchte er Rat bei einer telefonischen VdK-Sprechstunde zum Thema Covid-19 als Berufskrankheit.

Die für die Anerkennung zuständige Berufsgenossenschaft habe Nachweise verlangt, wer ihn konkret angesteckt hat und erklärte, dass Herbert H. ja nur im Büro und nicht am Patienten tätig war. Denn die Berufsgenossenschaft (BG) hat zwei Möglichkeiten, mit einer Corona-Infektion umzugehen – entweder als Arbeitsunfall oder als Berufskrankheit.

„Beim Arbeitsunfall hat der Arbeitnehmer den Nachteil, dass er die Kausalität nachweisen muss – im Fall von Corona muss er also die Person benennen, die ihn infiziert haben soll“, erklärt VdK-Sozialrechtsberaterin Martina Braun. Anders bei der Berufskrankheit: Hier wird von einer besonderen Infektionsgefahr durch eine bestimmte Tätigkeit ausgegangen. „Es braucht keine kausale Ursache, was für die Betroffenen eine Beweiserleichterung darstellt“, sagt Braun.

Der ehemalige Heimleiter berichtete, sehr wohl Kontakt mit infizierten Bewohnern gehabt zu haben, da ein Großteil der Mitarbeitenden erkrankt war. Täglich habe es mehrere Todesfälle gegeben, um die er sich gekümmert habe. „Dennoch wird es sehr schwierig, diese Kontakte nachzuweisen. Wenn er aber belegen kann, dass es einen starken Corona-Ausbruch in der Einrichtung gab, könnte die Suche nach der Indexperson entfallen“, sagt VdK-Sozialrechtsberaterin Martina Braun.

Nicht mehr arbeitsfähig

Ähnlich erging es dem Mitarbeiter eines Sanitätshauses, der Hilfsmittel an Kunden auslieferte und dadurch engen Körperkontakt – etwa beim Einstellen eines Rollstuhls – hatte. Hier argumentierte die Berufsgenossenschaft, dass die Arbeit bei einem Sanitätshaus nicht zu einem gefährdeten Bereich zähle und verlangte weitere Nachweise. Bei einer Krankenschwester, die während eines Corona-Ausbruchs in einer Reha-Einrichtung arbeitete, verwies die BG ebenfalls darauf, dass sie in der Verwaltung und nicht in der Pflege tätig sei. Ähnlich könnte die Argumentation bei hauswirtschaftlichen Kräften in Kitas lauten, obwohl auch diese Kontakt zu Kindern haben.

Laut Martina Braun gehen die Krankenkassen jetzt vermehrt dazu über, die Berufskrankheit anzuzeigen und Regressansprüche an die BG zu stellen. Denn alle Betroffenen, die sich in der Sprechstunde meldeten, waren seit über einem Jahr krankgeschrieben und nicht mehr voll arbeitsfähig. Im Gespräch litten sie unter Wortfindungs-Störungen und Konzentrationsschwierigkeiten. Obwohl sich alle Anrufer in der ersten Welle infiziert hatten, hatte noch keiner einen Bescheid von der BG erhalten.

Der VdK kritisiert seit Langem die viel zu langen Verfahren, die sich oft über Jahre hinziehen. In Deutschland wird zudem nur jede vierte Anzeige als Berufskrankheit von den Berufsgenossenschaften anerkannt.

„Die Betroffenen sind frustriert und berichten über schlechte Hygienepläne und einen intransparenten Umgang mit der Situation. Die meisten wollen die Pflege verlassen, weil sie das Gefühl haben, dass der Schutz des Personals keine Priorität hat und sie der Belastung nicht mehr gewachsen sind, weil zum Beispiel sogar die Zeit fehlt, Schutzkleidung anzulegen. Hier mangelt es an Unterstützung und Aufklärung durch die Betriebe, obwohl das Pflicht des Arbeitgebers wäre“, kritisiert Martina Braun. Ein Grund für die Zurückhaltung könnte sein, dass die Arbeitgeber vermeiden wollen, dass durch eine vermehrte Anerkennung von Berufskrankheiten höhere Kosten entstehen und dadurch die Anteile, die Arbeitgeber an die Berufsgenossenschaften zahlen müssen, steigen.

Die VdK-Sozialrechtsberaterin rät Betroffenen, die Berufskrankheit in jedem Fall zur Anzeige zur bringen, auch wegen möglicher Langzeitfolgen und Schäden durch die Infektion. Bei der Anzeige können Ärzte oder der Arbeitgeber unterstützen. Bei einer Ablehnung durch die BG muss innerhalb einer Frist von einem Monat ein Widerspruch eingereicht werden. Der VdK berät und hilft nach einem ablehnenden Bescheid – sowohl im Widerspruchs- als auch im Klageverfahren.

COVID-19 als Berufskrankheit

Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind berufliche Risiken, gegen die eine Absicherung über die gesetzliche Unfallversicherung besteht. Covid-19 ist als Infektionskrankheit unter der Nummer 3101 in der Liste der Berufskrankheiten zu finden. Voraussetzung für die Anzeige bei der Berufsgenossenschaft ist, dass die Person im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Labor tätig war und Kontakt mit infizierten Menschen hatte. Bei Anerkennung als Berufskrankheit übernimmt die gesetzliche Unfallversicherung die Kosten von Heilbehandlung und Reha-Leistungen sowie Verletztengeld, wenn die Erkrankung länger als sechs Wochen dauert, und Verletztenrente, wenn aufgrund der Erkrankung über einen längeren Zeitraum die Erwerbsfähigkeit nicht ausgeübt werden kann. Im Todesfall können die Hinterbliebenen eine Rente erhalten.