„Ich war früher ein Hamster im Rad“
Im Juni ist Eugen Roth zum neuen Vertreter der Landesvorsitzenden Dagmar Heib gewählt worden. Wie er zum VdK kam und welche sozialpolitischen Themen dem früheren Gewerkschafter besonders unter den Nägeln brennen.

Mit den Menschen auskommen, ihnen aufmerksam zuhören und bei Konflikten ausgleichend wirken – so beschreibt Eugen Roth sich selbst. Viele kennen den heute 66-Jährigen, der beim Landesverbandstag zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt wurde, als DGBkurz fürDeutscher Gewerkschaftsbund-Vorsitzenden im Saarland. Doch dass er einmal Chef des größten Gewerkschaftsbundes im Land werden würde, war für den früheren Polizisten, dessen Vater ein bekannter Dorfgendarm in Merchweiler war, „undenkbar“. Mehr als 20 Jahre war Eugen Roth für die Polizei tätig, darunter fünf Jahre als Dienstgruppenleiter im Polizeirevier Karcherstraße in Saarbrücken, wo er einige brenzlige Situationen erlebte. Bald übernahm er Ausbildungsverantwortung und engagierte sich in der Polizei-Gewerkschaft GDP, deren Vorsitzender er später wurde.
Eines seiner Ziele: Frauen in die uniformierte Polizei zu bringen – was heute kein Thema mehr ist, war damals „kein Selbstläufer“ und führte zu „vielen Diskussionen“. So sorgte Roth dafür, dass die Medien darüber berichteten, dass Polizei-Anwärterinnen Männer-Unterwäsche mit Eingriff bekamen. „Die Frauen sind aber schwer zufriedenzustellen“, sei damals eine typische Reaktion von Verantwortlichen gewesen, erinnert sich Roth. Als Personalrat setzte er sich zudem dafür ein, dass die „Stimme der Leute gehört“ und diese korrekt behandelt werden. Als es Reibereien bei der Digitalisierung der Polizei gab, vertrat er diese „kämpferisch“ im Innen-Ausschuss des Landtages.
Erst 1994 trat er in die SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands ein. „Ich war immer zuerst Gewerkschafter und erst dann Politiker“, betont Roth. Zwar bekennt er sich zu sozialdemokratischen Werten: „Der Roth heißt Roth und ist rot.“ Gleichzeitig will er nicht darauf beschränkt werden, „wie ein Roter zu schwätzen“ und hält seine Unabhängigkeit hoch.
1998 geschah dann eine „mittelprächtige Sensation“, wie Roth es nennt. Als Vorsitzender der GDP, der kleinsten von 17 Gewerkschaften innerhalb des DGBs, wurde er zum Vorsitzenden des DGBkurz fürDeutscher Gewerkschaftsbund Saar gewählt. Die Saarbrücker Zeitung titelte damals „Ein Gendarm an die DGBkurz fürDeutscher Gewerkschaftsbund-Spitze“. Der DGBkurz fürDeutscher Gewerkschaftsbund zählte damals laut Roth 200.000 zahlende Mitglieder (heute 125.000). Hier ist ihm wichtig: Gewerkschaften und Sozialverbände sollten an einem Strang ziehen statt sich gegeneinander auszuspielen – etwa bei der Frage, wer mehr Mitglieder hat.
„Beide haben ähnliche sozialpolitische Linien. Ich sehe die Stärke des VdK darin, dass er gesamtgesellschaftlich wirkt, wofür die Gewerkschaften nicht die Strukturen haben, und im ehrenamtlichen Engagement, das seit dem Krieg gewachsen ist.“ Das Ehrenamt im VdK hält er für unverzichtbar, denn es habe „das Ohr am Volk“. „Die Ehrenamtlichen wissen, was die Menschen bewegt, wo es hakt und wenn Hilfen nicht ankommen. Sie sind unsere gesellschaftlichen Sensoren.“
Doch wie kam Roth, der seit 2010 Mitglied im VdK ist, überhaupt zum Sozialverband? „Mein Eintrittsticket war der damalige Landesvorsitzende Armin Lang, der mir eine Beitrittserklärung in die Hand gedrückt hat. Die hatte er immer dabei“, erinnert sich Roth. Armin Lang kannte er schon länger – doch beim Sozialgipfel Saarland lernten sie sich näher kennen. 1996 gegründet, besteht das Bündnis aus mehr als 30 Gewerkschaften, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden, die sich unter anderem für einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt einsetzen – jahrelang hat Eugen Roth die Treffen des Sozialgipfels moderiert. Dabei war ihm wichtig, allen zuzuhören, einen Kompromiss zu finden und sich mit anderen abzusprechen, statt einzeln vorzupreschen. „Radikale Positionen oder Maximal-Forderungen, bei denen klar ist, dass sie niemals umgesetzt werden, machen für mich wenig Sinn. Das bringt uns nicht weiter.“
Die Forderung nach einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt verband Roth mit Armin Lang. 2011 wurde Roth Mitglied im Verwaltungsrat der Neuen Arbeit Saar – eine Beschäftigungsgesellschaft für Langzeitarbeitslose, die Armin Lang schon 1977 gegründet hatte. Beide hatten fünf Jahre gleichzeitig im saarländischen Landtag „Seite an Seite in der SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands-Fraktion gefochten“. Von 2004 bis 2022 war Roth Abgeordneter im Landtag, Armin Lang von 1994 bis 2009. Bis 2004 war Lang stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands, Roth von 2012 bis 2022. 21 Jahre war Eugen Roth außerdem stellvertretender Vorsitzender der SPDkurz fürSozialdemokratische Partei Deutschlands.
Doch schon bevor Eugen Roth Mitglied im VdK wurde, hatte der DGBkurz fürDeutscher Gewerkschaftsbund-Chef Kontakte zum Sozialverband – und zwar über den langjährigen Vorsitzenden Otto Brockholz. Konkret ging es um die Frage, welche VdK-Vertreter bei der Sozialwahl der Sozialversicherung auf der gemeinsamen Liste antreten.
Gute Freundschaften verbinden Eugen Roth außerdem mit Martin Eifler, dem 2022 verstorbenen Landesvorstandsmitglied und Rentenexperten, mit Dieter Mohr, dem Vorsitzenden des VdK-Kreisverbandes Neunkirchen und ehemaligem Gewerkschaftssekretär sowie mit Wolfgang Lerch, ebenfalls Mitglied im VdK-Landesvorstand und Experte für Wohnen, Armut und neue soziale Fragen. „Die Themen, die der VdK abdeckt, sind extrem spannend. Der VdK lebt Sozialpolitik. Gäbe es ihn nicht, müsste man ihn gründen.“
In seinem Ruhestand trifft Eugen Roth schließlich ein schwerer Schicksalsschlag: Seine Frau Petra, mit der er seit seiner Jugend zusammen war, stirbt völlig unerwartet. Durch den plötzlichen Verlust ist der 66-Jährige mit dem Thema Einsamkeit im Alter konfrontiert. „Früher kam ich nur zum Schlafen nach Hause, ich war wie ein Hamster im Rad. Heute bin ich allein im großen Haus. Das Gute ist, dass ich in meiner Gemeinde sehr gut vernetzt bin, wo es noch eine gute Dorfgemeinschaft gibt.“ Alte Menschen aus der Isolation zu holen, etwa durch gemeinsames Mittagessen ist ihm wichtig. Außerdem träumt er von einer Reise nach Kanada – am liebsten mit dem Schiff.