Die Mär der hohen Renten
Im Saarland sind die Altersrenten besonders hoch. Allerdings trifft dies nur auf langjährig Versicherte zu.Ein Blick hinter die Statistik der hohen Altersrenten im Saarland
„Durchschnittsrente im Saarland am höchsten“ – von solchen Schlagzeilen geprägt erschien im Herbst der Rentenatlas 2020 der Deutschen Rentenversicherung (DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung). Bei der Statistik der Altersrenten führt das Saarland regelmäßig die Tabelle an. Der Grund: Sie erfasst die Durchschnitts-Bruttorente von Versicherten mit mindestens 35 Beitragsjahren. 2019 war das in Deutschland weniger als jeder dritte Bezieher einer Altersrente, im Saarland rund 35000 Menschen.
Im Jahr 2019 lag diese bei 1545 Euro – 132 Euro mehr als der Bundesschnitt. Damit liegt das Saarland seit Jahren an erster Stelle vor Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Hessen. Begründet wird das in dem Atlas damit, dass „viele Männer früher in gut bezahlten Jobs im Bergbau“ gearbeitet haben. Daraus ergibt sich dann auch, dass die Durchschnittsrente der Männer (1774 Euro) um 500 Euro höher ist als die der Frauen (1171 Euro). Aussagekräftiger sind die Zahlen aus dem DRVkurz fürDeutsche Rentenversicherung-Bericht „Rente 2019“, der ebenfalls im Herbst veröffentlicht wurde. Hier werden alle Rentenarten aufgelistet. Bei dieser Betrachtung liegt das Saarland nach Rheinland-Pfalz nur auf dem vorletzten Platz. Die durchschnittlich ausgezahlte Rentenhöhe – also abzüglich der Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung, aber vor Steuern – betrug 934 Euro und war damit etwas niedriger als im Bunddesschnitt (954 Euro).
Männer erreichen mit 1327 Euro eine mehr als doppelt so hohe Rente wie Frauen mit 613 Euro. Fast die Hälfte der Frauen hat eine Rente unter 450 Euro, ein Fünftel sogar weniger als 250 Euro. Nur 15 Prozent bekommen mehr als 1000 Euro Rente im Monat, bei den Männern sind es hingegen 75 Prozent.
Große Differenz
Im bundesweiten Vergleich landen die ostdeutschen Bundesländer weit oben. Da Frauen in der ehemaligen DDR in der Regel Vollzeit arbeiteten, liegen ihre Altersrenten nur geringfügig unter denen der Männer – im Gegensatz zum Saarland, wo die Differenz zwischen den Geschlechtern am höchsten ist. Auch heute dominiert im Saarland eine hohe Teilzeitquote bei Frauen: Während mit 91 Prozent die Mehrheit der saarländischen Männer in Vollzeit arbeitet, tut dies im Saarland nur jede zweite Frau.
Die Gründe, dass Frauen im Saarland nicht mehr arbeiten, sind vielfältig: ein traditionelles Frauen- beziehungsweise Männerbild führt dazu, dass Frauen den Großteil der unbezahlten Haus-, Pflege- und Fürsorgearbeit übernehmen. Unzureichende Kinderbetreuungsmöglichkeiten und ein schlechter öffentlicher Nahverkehr sorgen dafür, dass keine vollzeitnahe Beschäftigung möglich ist.
Frauen sind daher besonders von Altersarmut betroffen. So erklärt sich auch, dass das Saarland die bundesweite Statistik der Altersarmut anführt: mit 18,4 Prozent ist fast jeder fünfte Saarländer über 64 Jahren von Armut bedroht. Ein weiteres Armutsrisiko haben die rund 27000 Erwerbsminderungsrentner. Der Großteil muss mit weniger als 900 Euro auskommen und ist damit armutsgefährdet. Auch hier sind Frauen stärker betroffen: drei Viertel bekamen im Jahr 2017 weniger als 900 Euro, bei Männern sind es 60 Prozent (siehe DGBkurz fürDeutscher Gewerkschaftsbund Rentenreport 2018). Erwerbsminderungsrentner scheiden im Schnitt im Alter von 52 Jahren aus dem Erwerbsleben aus, weil ihr Gesundheitszustand keine Erwerbstätigkeit mehr zulässt.
Sie müssen Abschläge von bis zu 10,8 Prozent in Kauf nehmen. „Das ist ungerecht, denn diese Menschen gehen nicht freiwillig in Rente. Sie können schlichtweg nicht mehr arbeiten und werden dafür bestraft, dass sie nicht gesund sind“, sagt VdK-Rentenexperte Martin Eifler (†).
Eine weitere Ungerechtigkeit sieht der VdK darin, dass die Anhebung der Zurechnungszeiten nur für Neurentner gilt. Wer heute im Alter von 40 Jahren eine Erwerbsminderungsrente bewilligt bekommt, wird so gestellt, als hätte er bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet. Wurde die Rente vor 2003 bewilligt, ging die Zurechnungszeit nur bis zum 55. Lebensjahr – den Versicherten fehlen also wertvolle rentenrechtliche Zeiten, was zu niedrigeren Rentenzahlungen führt.