"Man weiß nie, wie der Tag wird"
Vor einigen Jahren erkrankte Katja Seubert an einer Depression. In einem Vortrag spricht sie darüber, was hilft – und was nicht. Und warum es ihr so wichtig ist, die Krankheit aus der Tabuzone zu holen.

Vor einigen Jahren erkrankte Katja Seubert an einer Depression. In einem Vortrag spricht sie darüber, was hilft – und was nicht. Und warum es ihr so wichtig ist, die Krankheit aus der Tabuzone zu holen.
Sie war die, die immer lacht. Die für gute Stimmung sorgt. Eine Frau, die ihr Leben im Griff hat. Der es gut geht. Eigentlich. Denn nachts kamen die Tränen, die sie versteckte. Morgens wollte sie einfach liegen bleiben. Doch sie musste funktionieren, sich zusammenreißen, ihren Sohn in die Schule bringen. „Keiner durfte merken, wie es in mir aussah. Nach außen war ich die Powerfrau. Aber innerlich fühlte ich mich zerrissen, überflüssig, unsicher, einsam und vor allem: tieftraurig“, sagt Katja Seubert. Die Vorsitzende des Ortsverbandes Schaumberg will ein Thema aus der Tabuzone holen, das ihrer Meinung schon viel zu lange unter den Teppich gekehrt wird: Depression. Bei einem Vortrag der VdK-Akademie erzählt sie als Betroffene ihre Geschichte.
Als sie während der Corona-Pandemie zuhause plötzlich Herzrasen bekommt, am ganzen Körper zittert und sich wie gelähmt fühlt, muss sie sich der Situation stellen. „Ich habe mir lange etwas vorgemacht und wollte es nicht wahrhaben, habe es auf die Wechseljahre geschoben und gehofft, dass es sich wieder gibt. Doch die Panikattacke hat mir klar gemacht, dass ich Hilfe brauche. Zum Glück habe ich relativ schnell einen Psychologen gefunden.“ Katja Seubert beschließt, offen mit der Depression umzugehen und keine Maske mehr zu tragen.
Das Umfeld reagiert unterschiedlich – und nicht immer verständnisvoll. Eine Freundin bricht den Kontakt ab. Andere sagen: „Stell dich nicht so an! Du hast doch alles! Dir geht es doch gut. Was hat sie denn jetzt schon wieder?“ Oder geben Ratschläge, die nicht weiterhelfen: „Geh doch mal an die frische Luft, dann geht es schon. Lass dich nicht so hängen!“ Sätze, die noch weiter am Selbstwertgefühl nagen und in die Isolation treiben.
Deshalb will Katja Seubert für den Umgang mit depressiven Menschen sensibilisieren, damit diese ernst genommen werden und sich nicht länger aus Angst vor den Reaktionen anderer verstecken. „Ich will andere ermutigen, aus ihren Löchern rauszukommen. Dass sie sich trauen, aufzustehen und zu sagen: Ich bin depressiv. Ich brauche Verständnis und Unterstützung. Denn der Satz „Stell dich nicht so an“ hilft uns nicht weiter, im Gegenteil. Stattdessen braucht es oft einfach eine Umarmung und die Botschaft: Ich bin für dich da, du bist nicht allein, du wirst gehalten. Wir schaffen das zusammen“, sagt Seubert.
In ihrer letzten Reha wurde die Umarmung zu einem Schlüsselmoment. „Da war eine Frau, der es nicht gut ging. Ich habe ihr eine Umarmung angeboten. Danach sagte sie: Das tut so gut wie früher die Hühnersuppe bei Mama. Wenn dann jemand gedrückt werden wollte, sagte er oder sie einfach: Ich brauche eine Hühnersuppe.“ In der Reha lernte Katja Seubert, besser mit der Krankheit umzugehen. Auch Bücher wie „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ oder „Es geht mir gut und andere Lügen“ halfen ihr, sich selbst besser zu verstehen und anzunehmen.
Denn für die 53-Jährige war es ein schwerer Weg, sich die Depression überhaupt einzugestehen. Warum ich? Warum jetzt? Doch die Krankheit zu akzeptieren, war für sie ein Schlüssel. „Man muss sich Hilfe holen und diese auch zulassen. Erst dann kann man lernen, damit umzugehen“, sagt Seubert, die inzwischen überwiegend gute Tage hat und weiß, was sie an schlechten Tagen tun kann. Ihr helfen Autogenes Training und Selbsthypnose, aber auch Massagebälle und Düfte, um sich wieder im Hier und Jetzt zu verankern.
Auch für die Angehörigen ist die Depression eine große Belastung, weil sie nicht berechenbar ist. „Ich kann aufstehen mit dem Gefühl: Heute ist alles toll, das wird ein guter Tag. Und plötzlich wird alles schwarz. Draußen kann die Sonne scheinen, aber ich sehe sie nicht mehr. Als würde sich eine schwarze Glocke um mich legen“, erklärt Subert. Dann hat sie kaum noch Kraft, sich anzuziehen, die Zähne zu putzen oder das Geschirr wegzuräumen. Ihre Familie weiß nie, was sie erwartet. Umso wichtiger sei es, offen darüber zu sprechen und zu erklären, was man in der Situation gerade braucht. „Die Angehörigen leiden mit, aber für sie gibt zu wenig Hilfe. Es bräuchte viel mehr Stammtische, wie für Angehörige von Demenzkranken.“
Wichtig sei auch, einen guten Therapeuten zu finden – für ihre Therapie nahm Seubert den weiten Weg von Tholey nach Kleinblittersdorf auf sich, weil im Nordsaarland niemand zu finden war. In einer akuten Notlage sollte man Hilfe in einer Akutklinik suchen. Hilfe anzunehmen, sei unabdingbar. „Es ist sehr wichtig, für sich eine Sache zu erkennen: Eine Depression schaffst du nicht allein!“ Und sich nicht die Schuld dafür zu geben. „In der Reha habe ich Menschen jeden Alters und aus jeder sozialen Schicht getroffen – von der Bürokraft über den Richter bis zum Lehrer. Man bekommt Depressionen nicht, weil man zu schwach ist oder zu viel Zeit zum Nachdenken hat. Es kann jeden treffen“, sagt Seubert.
Hilfsangebote im Saarland
Im Saarland gibt es ein großes Netz an Hilfsangeboten. Einen Überblick bietet der „Externer Link:Wegweiser zu psychiatrischen Angeboten im Saarland