„Das Saarland braucht eine neue Wohnungsbaupolitik“
Wie wohnt das Saarland? Mit umfassenden, aktuellen Zahlen gab Wohnexperte Wolfgang Lerch in einem Vortrag in Furpach einen Überblick über die Wohnsituation und forderte mehr sozialen Wohnungsbau.
Zwar leben 60 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer im Eigentum und das Saarland hat damit bundesweit die höchste Eigentumsquote. Aber die anderen 40 Prozent hätten eine überdurchschnittlich hohe Mietbelastung, sagte VdK-Wohnexperte Wolfgang Lerch beim sehr gut besuchten Fachtag „Wohnen im Alter“ im Martin-Luther-Haus in Furpach, den der Landkreis Neunkirchen zusammen mit dem örtlichen Demenzverein Anfang September organisiert hatte. Hinzu kommt: Sowohl Mieter als auch Eigentümer sind hierzulande besonders stark von steigenden Energiekosten betroffen. Das mache eine eigene Wohnungsbaupolitik im Saarland umso dringlicher.
Bei der Belastung durch Wohnkosten liegt das Saarland auf Rang 1 aller Bundesländer – und das, obwohl das Saarland bei den Nettokaltmieten mit 5,70 Euro pro Quadratmeter weit hinten liegt. Hintergrund dafür sind einerseits niedrige Nettoeinkommen, andererseits die alte Bausubstanz im Saarland, die zu hohen Energiekosten führt: Knapp 73 Prozent der Gebäude wurden vor 1979 erbaut, womit das Saarland bundesweit Platz 2 belegt. Zudem liegt der Anteil an Ölheizungen mit 31 Prozent deutlich über dem Bundesschnitt (19,6 Prozent) – diese belasten sowohl Mieter als auch Eigentümer. Zwischen 2020 und 2023 verteuerten sich die Haushaltsenergiekosten im Saarland um 52 Prozent. Und sie werden in den nächsten Jahren, auch aufgrund steigender CO2-Preise, weiter stark zunehmen.
Aktuell befindet sich die Bauwirtschaft in der Krise. Im ersten Halbjahr 2023 wurden im Saarland lediglich 800 Wohnungen genehmigt, ein Rückgang von über 40 Prozent. Für den sozialen Wohnungsbau sei das allerdings ohnehin unerheblich, da vor allem im Hochpreissegment gebaut werde, so Lerch. Heißt: Bezahlbarer Wohnraum im Saarland ist knapp. Der Bestand an Sozialwohnungen sei auf 760 Sozialwohnungen geschrumpft – 2005 hatte sie noch bei 5000 gelegen.
Hintergrund ist, dass zu wenige Sozialwohnungen gebaut werden und bestehende Wohnungen nach einer bestimmten Zeit aus der Sozialpreisbindung fallen. Das führte dazu, dass das Saarland auf 100.000 Einwohner gerechnet nur acht Sozialwohnungen aufweise – bundesweit sind es 131. „Wir haben im Saarland praktisch keinen sozialen Wohnungsbau und das ist beschämend“, sagte Lerch. Vor allem deshalb, weil es hier nicht am Geld scheitere, da der Bund Millionenbeträge bereitstellt.
So standen 2020 und 2021 dem Saarland jeweils 12 Millionen Euro Bundesmittel zur Verfügung. Wie viel Geld sei davon abgerufen worden, fragt Lerch in die Runde und verkündet dann: 0 Euro. Das sei angesichts des großen Bedarfs nicht nachvollziehbar. „Andere Bundesländer machen es anders. Das Saarland war das einzige Bundesland, das kein Geld abgerufen hat. Das ist ein Skandal. Die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften hätten hier viel Potenzial, das aber nicht genutzt wird. Hier braucht es mehr soziales Bewusstsein“, kritisierte Lerch.
Ein Hoffnungsschimmer sei die „in der Substanz gute und wichtige“ Wohngeldreform 2023, durch die vier Mal so viele Menschen im Saarland Anspruch auf Unterstützung beim Wohnen – unabhängig ob Miete oder Eigentum – haben, das sind rund 20.000 Haushalte. Das Problem sieht Lerch jedoch darin, dass viele Menschen diese Hilfen nicht in Anspruch nähmen, weil sie sie nicht kennen oder aus Scham. Landrat Sören Meng bestätigte, dass der Andrang bei den Wohngeldanträgen nicht so hoch ausgefallen sei wie ursprünglich erwartet. Lerch lobte das Wohngeld-Projekt des VdK Saarland, der ehrenamtliche Helfer geschult hatte, beim Ausfüllen zu unterstützen.
Auch vor dem Hintergrund einer alternden Bevölkerung im Saarland und fehlendem barrierefreiem Wohnraum forderte Lerch eine neue Wohnungsbaupolitik für das Saarland, etwa einen Neustart beim sozialen Wohnungsbau, ein Leerstands-Monitoring, eine Quote für Sozialwohnungen bei Neubauprojekten, eine Wohnraumbörse für altersgerechte Wohnungen und ein Landeswohnraumfördergesetz.
Maria Wimmer