Kategorie Gesundheit

Damit der eigene Wille am Ende zählt

In seiner ehrenamtlichen Sprechstunde unterstützt der Medizin-Fachanwalt Gerhard Fritz VdK-Mitglieder beim Erstellen einer Patientenverfügung. Im Interview macht er deutlich, warum jeder Mensch eine Patientenverfügung haben sollte.

© Simone Wiesener/VdK Saarland

Was ist das Ziel einer Patientenverfügung?

Die Patientenverfügung soll dafür sorgen, dass der Arzt den Willen des Patienten umsetzt, wenn dieser sich im Sterbeprozess befindet und sich selbst nicht mehr äußern kann. Wenn ein Mensch also an einem Punkt angekommen ist, an dem es kein Zurück zum Leben mehr gibt. Auch bestehende chronische Erkrankungen sind nicht das Thema der Patientenverfügung, es sei denn, sie führen unmittelbar zum Tod. Es muss also klar sein, dass der Tod unwiderruflich bevorsteht.

Was passiert, wenn keine Patientenverfügung vorliegt?

Dann wird der Arzt zunächst um das Leben des Patienten kämpfen und es um jeden Preis erhalten, sprich: Die Maschinen werden nicht abgeschaltet. Das kann bedeuten, dass man über längere Zeit beamtet oder künstlich ernährt wird. In der Patientenverfügung werden genau solche Punkte geklärt: Will ich künstlich ernährt werden? Will ich lebenserhaltende Maßnahmen wie Dialyse oder Wiederbelebung? Voraussetzung ist aber immer, dass ein unmittelbarer und unwiderruflicher Sterbeprozess vorliegt! 

Und wenn der Sterbende das gar nicht wollte?

Im günstigsten Fall, von dem aber leider nicht immer ausgegangen werden kann, ermitteln die Ärzte, zusammen mit den Angehörigen, den mutmaßlichen Willen des Patienten: Wie hätte sich der Patient entschieden, wenn er gewusst hätte, dass er sterben wird? Das ist natürlich kein sicherer Weg, um die Patientenautonomie am Lebensende zu wahren. Die Patientenverfügung verhindert auch, dass Verwandte darüber entscheiden müssen, ob eine den Sterbeprozess verlängernde Maßnahme durchgeführt wird. 

Dürfen Angehörige überhaupt darüber entscheiden?

Soweit möglich, müssen Ärzte sich am mutmaßlichen Patientenwillen orientieren. Sie können Angehörige danach fragen, was die Person mutmaßlich gewollt hätte. Weder Kinder noch Ehegatten sind per se bevollmächtigt, darüber zu entscheiden, was aber viele nicht wissen. Liegt keine Patientenverfügung vor, kann es sogar passieren, dass das Betreuungsgericht einen Betreuer einsetzt. Zum 1. Januar hat der Gesetzgeber für Eheleute ein Notvertretungsrecht eingeführt – es gilt jedoch nur für gesundheitliche Angelegenheiten, wenn ein Partner nicht mehr entscheidungsfähig ist, und ist auf sechs Monate befristet. Es ersetzt also keine Patientenverfügung. 

Gibt es ein einheitliches Formular?

Leider nicht. Im Internet kursieren unzählige Vordrucke. Ich rate aber dringend davon ab, irgendein Formular herunterzuladen. In meiner Beratung nutze ich die Vorsorge-Broschüre des VdK, die einen Vordruck beinhaltet. Wer zu mir in die Beratung kommt, sollte sich die Broschüre einmal durchgelesen haben, damit man nicht bei null anfängt – sonst muss man zwei Mal kommen. Es muss aber ganz klar gesagt werden, dass eine Patientenverfügung per Formular nur die zweitbeste Lösung darstellt. Am besten formuliert der Patient seine Patientenverfügung mit seinen eigenen Worten in einem geschlossenen Text, ähnlich einem Testament. Es ist schließlich der erklärte Wille des Patienten, eine Weisung an die Ärzte. Die Formulare bilden dabei eine hilfreiche Checkliste.

Sie beraten Menschen beim Ausfüllen – was sind häufige Fragen?

Viele wollen wissen: Wer bestimmt denn, ob ich im Sterben liege? Ist das schon der Fall, wenn ich an einer Maschine hänge? Darum empfehle ich folgenden Zusatz in der Patientenverfügung: Zwei Ärzte sollen unabhängig darüber entscheiden, im Idealfall ein Internist oder Neurologe. Andere fragen mich: Was soll ich ankreuzen? Ich antworte dann: Das ist Ihre Entscheidung. Natürlich ist ein Formular zum Ankreuzen nicht perfekt. Aber es ist auf jeden Fall besser, als gar keine Patientenverfügung zu haben!

Was geht nicht in einer Patientenverfügung?

Floskeln und Allgemeinplätze wie „Ich möchte in Würde sterben“ oder „Lasst mich in Ruhe gehen“ haben in einer Patientenverfügung nichts zu suchen, sie machen diese sogar unwirksam. Das Ziel ist, so konkret und bestimmt wie möglich zu beschreiben, was im Sterbeprozess an medizinischen Maßnahmen durchgeführt werden soll – und was nicht. Zum Beispiel, dass Medikamente nur gegeben oder bestimmte Maßnahmen nur durchgeführt werden, um Schmerzen zu lindern. 

Warum sollte jeder eine Patientenverfügung haben?

Jeder Mensch, egal welchen Alters, kann in die Situation kommen, dass er nicht mehr entscheidungsfähig ist und im Sterben liegt – durch einen Verkehrsunfall, einen Arbeitsunfall oder eine misslungene Operation. Die Patientenverfügung verhindert, dass medizinische oder pflegerische Maßnahmen umgesetzt werden, die man gar nicht wollte. 

Worauf muss man noch achten?

Es ist wichtig, dass die Patientenverfügung unterschrieben ist! Außerdem sollte man sie regelmäßig, etwa alle zwei Jahre aktualisieren, denn ein Dokument mit dem Datum 1990 wird kaum ein Arzt im Jahre 2023 akzeptieren. Eine Kopie davon sollte man einer Vertrauensperson geben. Es ist nicht notwendig, sie bei einem Notar erstellen zu lassen: Das Gesetz schreibt lediglich die Schriftform vor. Ich rate grundsätzlich dazu, eine Patientenverfügung mit einer Betreuungsverfügung zu kombinieren. Dadurch kann verbindlich eine Vertrauensperson bestimmt werden, die im Ernstfall meine Patientenverfügung umsetzt.