Kategorie Barrierefreiheit

Barrieren auf der Spur

Von: Maria Wimmer

Benjamin Appelt ist einer von zwei Barriere-Scouts im Saarland. Sie weisen Ärzte, Restaurantbetreiber oder Kulturveranstalter auf Barrieren hin. Nach der Begehung der Gebläsehalle in Neunkirchen versprach die Stadt Verbesserungen. 

Die Rampe, die vom Saarpark-Center zur Gebläsehalle führt, entspricht nicht den DIN-Normen. Sie ist zu schmal und zu steil und endet abrupt an einer Mauer. Laut der Stadt Neunkirchen soll die Rampe nächstes Jahr DIN-konform umgebaut werden.

Offiziell hat die Gebläsehalle in Neunkirchen einen barrierefreien Zugang – doch bei näherem Hinsehen weist der Weg zahlreiche Schwächen auf, wie Benjamin Appelt bei einer Ortsbegehung im Auftrag der Neunkircher Kulturgesellschaft festgestellt hat. Der 32-Jährige, der selbst Asperger-Autist ist, engagiert sich im Vorstand des Kreisverbandes Neunkirchen und hat vor kurzem eine Ausbildung als Barriere-Scout abgeschlossen. 

Das Angebot des Vereins Sozialhelden richtet sich an Menschen mit Einschränkungen, die als Betroffene geschult werden sollen, um Orte wie Arztpraxen, Restaurants oder Kulturstätten „auf verschiedene Barrieren hin zu überprüfen, die Menschen mit Behinderungen an der gesellschaftlichen Teilhabe hindern könnten“. Da es im Saarland derzeit nur zwei Barriere-Scouts gibt, will Appelt für die Ausbildung werben. 

Topografische Probleme

Der Standort Gebläsehalle hat laut Appelt „topografische Probleme“, da die Zugänge von zwei weiteren Parkplätzen zu steil bzw. nur über eine Treppe erreichbar sind. Der offizielle barrierefreie Weg führt über eine Brücke von den kostenpflichtigen Behinderten-Parkplätzen am Saarparkcenter bis zu einer Rampe, die zu schmal und zu steil ist und abrupt an der Mauer der Gebläsehalle endet – sie entspricht damit nicht der DIN-Norm für barrierefreies Bauen im öffentlichen Raum. 

An der Rampe muss eine Tür geöffnet werden, was den Platz zusätzlich verkleinert.

Die Rampe wird zudem dadurch verschmälert, dass eine Metalltür in Richtung der Rampe geöffnet werden muss. Auf Nachfrage im Rathaus heißt es, dass die Stadt Neunkirchen plane, die Rampe im Rahmen des nächsten Haushaltsjahres DIN-konform umzubauen.

Ein weiteres Problem vor der Halle stellt laut Appelt der teilweise mit Unkraut überwucherte und abschüssige Boden dar. Dieser soll den Ablauf von Regenwasser ermöglichen, wird aber für Rollstuhlfahrer schnell zur Stolperfalle. An der Rampe befindet sich außerdem eine Treppe, deren gelbe Sicherheitsstreifen beim Besuch kaum noch zu sehen sind. Darauf angesprochen, wurde die Signalfarbe von Mitarbeitern der Neunkircher Kulturgesellschaft (NKG) erneuert und auch das Unkraut entfernt. 

Laut NKG sind die Erfahrungen mit Rollstuhlfahrern positiv, viele seien Stammgäste. Laut Kulturgesellschaft nehme auch die Zahl älterer Menschen mit Rollator zu. Ein Problem, das auch viele andere Hallen betreffe, sei die fehlende Barrierefreiheit für Künstlerinnen und Künstler an der Bühne und im Backstage-Bereich. 

Ziel der Ortsbegehung ist, so viele Bedarfe wie möglich abzudecken und sich beim Prüfen von Barrieren nicht nur auf Mobilitätsbeeinträchtigungen zu beschränken, sondern auch Sinnesbehinderungen (Sehen, Hören) sowie psychische Behinderungen mitzudenken. „Menschen mit Autismus oder traumatischen Erfahrungen etwa könnten bei einer Sicherheitskontrolle Schwierigkeiten damit haben, abgetastet zu werden oder in einer langen Schlange zu stehen, wo kein Abstand möglich ist. Unser Ziel ist es, das Personal für diese Bedürfnisse zu sensibilisieren“, sagt Appelt. 

Sprachprobleme

Um Menschen mit Sprachproblemen besser zu erreichen, sei es gut, bei der Beschilderung stärker auf bildhafte Sprache und Piktogramme zu setzen statt auf lange, schwer lesbare Texte. Bei seinen Begehungen hält Appelt gerne Rücksprache mit Barriere-Scouts mit anderen Einschränkungen. 

Bei der Bestuhlung sei es wichtig, dass Menschen im Rollstuhl außen und in der Nähe der Notausgänge sitzen können, damit bei einer möglichen Massenpanik ein schneller Fluchtweg gewährleistet ist. Zudem müsse hier darauf geachtet werden, dass der Flucht-Korridor breit genug ist. Laut Versammlungsstättenverordnung müssen in Versammlungsräumen für Rollstuhlbenutzer mindestens ein Prozent der Besucherplätze, mindestens jedoch zwei Plätze auf ebenen Standflächen vorhanden sein.

Viele Rollstuhlfahrer würden sich zudem eine Rollstuhl-Tribüne wünschen, um einen besseren Blick auf die Bühne zu haben. Im gastronomischen Bereich fehle eine abgesenkte Theke für Rollstuhlfahrer, Kinder oder kleinwüchsige Menschen. Gerade in der Gastronomie sieht der 32-Jährige enorme Chancen. „Hier gibt es großen Nachholbedarf. Wer für mehr Barrierefreiheit sorgt, kann damit werben und hat dadurch aktuell sogar ein Alleinstellungsmerkmal im Saarland.“

Für die Gebläsehalle als Kulturstandort wünscht sich Appelt einen begehbaren Aufzug für die Bühne, um auch Künstlern mit Einschränkungen Auftritte zu ermöglichen. Hinzu komme, dass sich der Backstage-Bereich im zweiten Stock befinde und dadurch nicht barrierefrei zugänglich sei. Alles in allem aber lobt Benjamin Appelt das Engagement der Neunkircher Kulturgesellschaft, die sich für Verbesserungen für mehr Inklusion sehr offen gezeigt habe. 

Projekt Barriere-Scouts

Benjamin Appelt ist zusammen mit Winfried Hoffmann einer von zwei Barriere-Scouts im Saarland. Wer sich für die Fortbildung interessiert, findet auf der Internetseite weitere Infos. Die Schulung findet online in fünf Themenblöcken statt zu Themen wie Grundlagen der Barrierefreiheit, barrierefreie Architektur, DIN-Normen und Kommunikation. Zum Abschluss muss eine eigene Ortsbegehung absolviert werden. 

Externer Link:www.sozialhelden.de/barriere-scouts