Grenzenlos feiern: VdK drängt auf inklusiven Nahverkehr
Zum Tag der Deutschen Einheit appelliert der Sozialverband VdK Saarland, den Ausbau der Barrierefreiheit des öffentlichen Nahverkehrs im Blick zu behalten.

„Dass der Saarbrücker Bahnhof zum Fest aufgewertet wurde, ist gut, aber das darf nicht nur Kosmetik sein. Ein schöner Zielbahnhof nützt Menschen nur dann, wenn sie saarlandweit ein- und aussteigen können. Während wir den Wegfall von Grenzen feiern, stoßen Menschen mit Behinderungen immer noch auf Barrieren. Wenn wir wirklich vereint feiern wollen, braucht es einen inklusiven Nahverkehr für alle“, sagt VdK-Landesgeschäftsführer Peter Springborn.
Trotz zahlreicher Modernisierungsvorhaben in Höhe von über 100 Millionen Euro ist das Saarland nach wie vor Schlusslicht bei der Barrierefreiheit: Nur 62 Prozent von derzeit 77 Bahnstationen sind nach aktuellen Angaben der Deutschen Bahn (DB) stufenfrei erreichbar. Der Bundesschnitt liegt bei rund 80 Prozent. „Damit ist das Land noch meilenweit von der Umsetzung des Personenbeförderungsgesetzes entfernt, wonach Barrierefreiheit im ÖPNV im Jahr 2022 hätte erreicht werden sollen. Hier braucht es mehr Tempo. Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind auf Barrierefreiheit angewiesen, sie ist ein Grundrecht und kein Luxus“, sagt Springborn.
Zwar haben die DB und das Saarland Anfang 2022 in einer Rahmenvereinbarung die Modernisierung von 31 Bahnhöfen bis zum Jahr 2030 beschlossen, jedoch wurden mehrere Projekte zurückgestellt. In Güdingen rückt der 2023 anvisierte Umbau jetzt auf 2026. Auch in Ottweiler soll der Umbau erst nächstes Jahr abgeschlossen sein. In Ensdorf wurde der 2024 vorgesehene Baubeginn mehrmals verschoben und ist mittlerweile für 2028 eingeplant. Ebenfalls auf 2028 verschoben wurde der Umbau des Saarbrücker Ost-Bahnhofs (2024 geplant), Landsweiler-Reden (statt 2026), Rohrbach (2026) und Schiffweiler (2027). Eine Erhöhung der Bahnsteige, die ein stufenfreies Einsteigen in den Zug ermöglicht, ist 2026 auf der Niedtalstrecke (Hemmersdorf, Siersburg und Niedaltdorf) geplant.
Die Strecke zwischen Dillingen und Niedaltdorf sei für Rollstuhlfahrer nicht nutzbar, kritisiert Erhard Pitzius, Vorsitzender der Plattform Mobilität. Da die Trittbretter der Wagen nicht ausfahrbar seien, bestünde eine Lücke zwischen Tür und Bahnsteig. In Siersburg erlaube es das Gefälle nicht, eine Rampe auszufahren, um die Lücke zu überbrücken. „Der Ausbau der Barrierefreiheit im Saarland dauert viel zu lang. Es ist zu wenig Geld im System, das Land müsste mehr eigene Mittel in die Hand nehmen. Ich sehe hier viel Aktionismus, etwa für eine schöne Bahnhofsunterführung, aber wenig koordinierte Aktivitäten.“ Problematisch sei auch der grenzüberschreitende Verkehr, da die eingesetzten Wagen im Regionalverkehr nach Forbach, Metz oder Straßburg tiefer seien, so dass beim Aussteigen ein Höhenunterschied zwischen Tür und Bahnsteig überwunden werden müsse. Das Gefälle sei so stark, dass eine Rampe nicht ausgelegt werden darf. „In diesem Sinne ist der Saarbrücker Bahnhof nicht wirklich barrierefrei“, sagt Pitzius. Auch der Bahnhof in Saarlouis gilt als barrierefrei, verfüge aber am Gleis 1 nicht über Blindenleitstreifen. „Es sind viele Kleinigkeiten. Dieser Bahnhof ist für Rollstuhlfahrer barrierefrei, aber für sehbehinderte Menschen fehlt ein Konzept. Viele Stationen sind oft nur pseudo-barrierefrei“, so Pitzius. 57 Prozent der Bahnstationen im Saarland verfügen inzwischen über taktile Leitsysteme wie Handläufe oder Blindenleitstreifen (Bundesschnitt 67 Prozent).
Nach Angaben der DB wären nach Abschluss aller Maßnahmen 66 von dann 79 Stationen – zwei neue Verkehrsstationen entstehen in Homburg-Beeden- und Schwarzenacker – im Saarland stufenfrei erreichbar und damit alle Stationen mit mehr als 500 Reisenden täglich.