Kategorie Kreisverband St. Wendel

Wenn der Schlüssel im Kühlschrank liegt

Von: Maria Wimmer

Wie erkennt man Demenz und wie kann man sie hinauszögern? Darüber informierte ein Ärzte-Ehepaar bei einem politischen Frühstück des Kreisverbandes St. Wendel Anfang Dezember im Hofgut Imsbach in Theley.

Psychotherapeutin Sabrina Timm-Alloussi zeigte, wie man Demenz an Hand eines Uhrentests erkennen kann. Links ihr Mann, der Urologe Saladin Alloussi. © Wimmer/VdK

„Demenz ist mehr als nur vergessen“ – unter diesem Motto hat Gerlinde Koletzki-Rau, Vorsitzende des Kreisverbandes St. Wendel, knapp 70 Gäste bei einem politischen Frühstück im Hofgut Imsbach begrüßt, darunter den neuen Abteilungsleiter für „Pflege und Soziales“ im Gesundheitsministerium, Thomas Müller, und die VdK-Landesvorsitzende Dagmar Heib. Schwerpunkt der Veranstaltung war ein Tandem-Vortrag eines Ärzte-Ehepaares, die auf Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten von Demenz-Erkrankungen eingingen. Danach gab Andreas Sauder, Leiter der Landesfachstelle Demenz, einen Überblick über Hilfsangebote im Saarland.

Beratungsstrukturen und Netzwerke seien essenziell, um Angehörige zu unterstützen, betonte Dagmar Heib, seit 2012 Vorsitzende des Demenz-Vereins Saarlouis. Ziel müsse es sein, die Entlastung für Familien zu verbessern, die Teilhabe im täglichen Leben zu gewährleisten und Pflegekräfte zu sensibilisieren. Die kürzliche Einführung von Demenzbeauftragten in saarländischen Krankenhäusern sei dafür ein wichtiger Schritt. Sie erinnerte daran, dass das Saarland mit Dr. Rosa Adelinde Fehrenbach, als erstes Bundesland seit 2019 eine Landesärztin für Demenz hat. Diese ist zudem Mitglied im Vorstand der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft. 

Von einer „entscheidenden Aufgabe“, die parteiübergreifend gelöst werden müsse, sprach Thomas Müller, früherer stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Arbeitskammer und seit November Leiter der neu geschaffenen Abteilung „Pflege und Senioren“ im Gesundheitsministerium. „Nur mit professioneller Pflege werden wir das nicht hinbekommen. Demenz kann uns alle treffen. Dahinter steht ein unglaubliches Engagement der Angehörigen, das einen großen Verlust von Freizeit und Selbstbestimmung bedeutet“, sagte Müller. 

Als psychologische Psychotherapeutin berät Sabrina Timm-Alloussi in ihrer Praxis in St. Wendel auch etliche Angehörige von Demenzpatienten, die an einer Erschöpfungsdepression leiden. In ihrem Vortrag machte sie deutlich, welche Faktoren Demenz begünstigen, die inzwischen 1,84 Millionen Menschen in Deutschland und knapp 25.000 im Saarland betrifft. Dazu zählen neben Alkohol, Rauchen, Bewegungsmangel, Übergewicht, schlechter Ernährung, Diabetes und Bluthochdruck auch die Einschränkung der Sinne. „Wer schlecht sieht oder hört, dessen Hirn bekommt nicht nur weniger Input, häufig folgt auch eine soziale Isolation, so dass immer weniger Stimulation stattfindet“, sagte Timm-Alloussi. 

Die Vorstufe einer Demenz seien Konzentrationsschwierigkeiten, die in der Fachsprache „leichte kognitive Beeinträchtigungen“ genannt werden. Erste Anzeichen seien Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Sie äußern sich durch das regelmäßige Verlegen von Gegenständen an ungewöhnlichen Orten wie der Schlüssel im Kühlschrank, das Vermeiden komplexer Aufgaben oder Lesen längerer Texte, das häufige Erzählen derselben Geschichte oder die Schwierigkeit, Alltagsgegenstände zu benennen. 

Allerdings kann es auch andere Ursachen geben, etwa neurologische Erkrankungen, Depressionen, Vitamin- oder Hormonmangel, Schilddrüsenprobleme – in solchen Fällen sei eine Demenz auch reversibel. Darum sei eine umfassende Diagnose, die auch ein Blutbild umfasst, wichtig. Bei den meisten Fällen handele es sich jedoch um eine Alzheimer-Demenz, bei der Neuronen im Gehirn absterben. 

Von den ersten Symptomen bis zur vollen Pflegebedürftigkeit vergehen laut Timm-Alloussi im Schnitt acht Jahre. Häufig würde die Diagnose jedoch erst in der Mitte dieser Zeitspanne gestellt, da viele Betroffene Angst haben und Beeinträchtigungen gekonnt überspielten. Etwa, wenn nach der Jahreszeit gefragt wird und die Antwort Sommer statt Herbst lautet, „weil ja die Sonne scheint“. 

Ein Klassiker ist der Uhrentest, den auch Angehörige durchführen können. Schafft der Betroffene es nicht mehr, ein Uhrenblatt mit einer bestimmten Uhrzeit und korrekter Position der Ziffern sowie Zeiger zu zeichnen, sollten Angehörige auf eine Diagnose drängen. 

Wichtig sei, den Körper und das Gehirn fit zu halten – durch Bewegung, eine mediterrane Ernährung mit viel Obst und Gemüse sowie Hirnjogging, also Wortspiele, Rätsel, Puzzeln, Basteln, Backen oder Gartenarbeit, betonte Saladin Alloussi, der als Urologe häufig mit Demenz-Patienten mit Inkontinenz zu tun hat. Auch Logo- und Ergotherapie sowie Medikamente können zum Einsatz kommen, wobei hier das Problem von Neben- und Wechselwirkungen bestehe. 

Dass das Saarland federführend im Bereich Demenz ist, betonte Andreas Sauder, Leiter der Landesfachstelle Demenz, die 2012 ins Leben gerufen wurde. So sei das Saarland das einzige Bundesland, in dem es flächendeckend Demenz-Netzwerke gebe und es war das erste Bundesland mit einer Demenz-Strategie. Zudem habe die Landesfachstelle unzählige Schulungen organisiert – so sei ein Viertel aller Straßenpolizisten im Umgang mit Demenzkranken sensibilisiert worden. Zum Abschluss appellierte Sauder an Angehörige, Entlastungsangebote der Tagespflege zu nutzen. „Dafür gibt es eigene Budgets, was viele nicht wissen. Der Demenzkranke bekommt dadurch soziale Kontakte, der Angehörige kann eine Pause machen. Denn pflegen kann man nur, wenn man gesund bleibt“, sagte Sauder.