Kategorie Ortsverband Haustadt-Honzrath

„Legen Sie den Hörer auf!“

Von: Maria Wimmer

Welche Maschen Enkeltrick-Betrüger anwenden und wie man sich verhalten soll – darüber informierte der ehemalige Polizist Erhard Herber bei einem Vortrag, den der Ortsverband Haustadt-Honzrath organisiert hatte.

Erhard Herber mit einer Info-Broschüre zum Enkeltrick. © Wimmer/VdK

Es klingelt. Am Telefon ein angeblicher Staatsanwalt. „Ihre Enkelin hat einen schweren Verkehrsunfall verursacht und einen Menschen getötet. Wir müssen sie dem Haftrichter vorführen. Wenn Sie eine Kaution hinterlegen, kommt sie nicht in Untersuchungshaft.“ Dann die Stimme einer jungen Frau, die hysterisch weint und schreit. „Beruhige dich, Doris“, sagt die ältere Dame auf der anderen Leitung.


Anschließend übergibt sie das am Telefon verlangte Geld an einen angeblichen Vertrauten – und erleidet einen Schaden von 25.000 Euro. Es ist ein Fall von vielen, mit denen sogenannte Enkeltrick-Betrüger ältere Menschen um ihr Erspartes bringen. Besonders paradox: In Deutschland wird von Polizei oder Staatsanwaltschaft keine Kaution verlangt.

In seinem Vortrag, den der VdK-Ortsverband Haustadt-Honzrath im Restaurant Urhahn-Adam in Haustadt organisiert hat, will der frühere Polizeikommissar und stellvertretende Dienststellenleiter Erhard Herber über die Maschen der Betrüger aufklären und vor allem warnen, und das sehr eindringlich: „Sie müssen in der ersten Minute einen Cut machen, sonst haben Sie keine Chance. Denn Sie werden überflutet mit Informationen und mit einem Redeschwall in Beschlag genommen. Man will Sie überrumpeln.“ Menschen, die Opfer von Enkeltrick-Betrügern werden, hätten sich in den Strudel hineinziehen lassen. „Der Schock ist das Entscheidende. Dadurch kommen Opfer in eine Schockstarre und können sich nicht wehren.“

Deshalb rät Herber, das Gespräch sofort zu beenden. „Die tricksen Sie aus. Ich habe Original-Statements von angeblichen Anwälten oder Polizeikommissaren gehört. Die sind rhetorisch so gut geschult – da sitzt jeder Satz. Den Hörer auflegen, ist das Einzige, was Sie rettet“, sagt Herber.

Die Betrüger nützen aus, woran ältere Menschen hängen: die Familie. „Man liebt seine Enkel. Dadurch kommt man emotional in eine andere Stresssituation. Deshalb müssen Sie einen kühlen Kopf bewahren und sich klar machen: Da ist nichts dran. Egal, wie schlimm es sich anhört: Legen Sie auf. Dann rufen Sie Ihr Enkelkind an und erstatten Anzeige bei der Polizei.“ Herber befürchtet, dass etwa ein Drittel der Betroffenen den Betrug nicht meldet. „Die Dunkelziffer ist ungeheuer groß. Eine Anzeige ist wichtig, um ein Bild der Lage zu bekommen. Außerdem können die Täter bei einer Geldübergabe festgenommen werden.“

Dann fragt Herber die rund 40 Mitglieder, wer schon Erfahrungen mit Telefon-Betrügern gemacht hat. Etwa ein Dutzend hebt die Hand. „Es hieß: Ihr Sohn hat… aber ich habe nur eine Tochter, gleich aufgelegt und die Polizei informiert“, berichtet ein VdK-Mitglied. „Ich habe schon mindestens fünf BMWs gewonnen. Die melden sich mit: Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen“, sagt Annemarie Ortmanns. 

Auch ihre Schwiegermutter habe schon Briefe bekommen, in denen hohe Geldsummen versprochen wurden, wenn vorher eine Gebühr von 900 Euro bezahlt werde.

Eine weitere Masche ist das unsichere Geldinstitut: Angebliche Bankmitarbeiter berichten am Telefon von verdächtigen Kontobewegungen und behaupten, dass das Geld auf der Bank nicht mehr sicher sei. Sie bieten an, es vorübergehend in Gewahrsam zu nehmen.

Bei VdK-Mitglied Peter Wagner war es eine WhatsApp-Nachricht. Angeblich hätte seine Enkelin einen Unfall gehabt und brauche dringend 2800 Euro. Wagner erkundigt sich nach der Kontonummer, die er dann fotografiert und der Polizei übermittelt – zusammen mit seiner Enkelin, „damit sie etwas lernt“. „Das war vorbildlich“, lobt Herber.

Die Vielfalt der Enkeltricks sei groß. Oft meldeten sich junge Menschen mit dem Satz „Rate mal, wer am Telefon ist?“. Dann kämen diverse Geschichten: Der angebliche Enkel hat einen Unfall gebaut und der Unfallgegner möchte sofort 500 Euro. Oder das Geld wird dringend benötigt für ein Auto, eine Wohnung oder eine andere günstige Gelegenheit. Auf dem Festgeldkonto könne man nicht so viel abheben. Oder das Enkelkind wird erst operiert, wenn vorher das Geld für ein teures Medikament aus den USA bezahlt wird.

Im Anschluss berichtet Herber über Betrüger an der Haustür: angeblich schwangere Frauen oder Kinder, die in die Wohnung möchten, um sich auszuruhen, aufs Klo zu gehen oder ein Glas Wasser zu trinken. Angebliche Handwerker, die etwas reparieren oder reinigen möchten und danach das Dreifache des vereinbarten Preises verlangen. Oder eine Frau, deren Mann Arzt sei, die für einen Rollstuhl sammelt – hier sei es zu sieben Schadensfällen gekommen mit einer Gesamtbeute von 15.000 Euro.

Enkeltrick-Kampagne

Allein im Jahr 2022 haben Enkeltrick-Betrüger im Saarland 1,8 Millionen Euro erbeutet. Mit der Kampagne „Enkeltrick und Co – nicht mit uns!“ will das Innenministerium für das Thema sensibilisieren. Dafür stellt es im Internet Infomaterialien bereit, die von den VdK-Ortsverbänden bei Veranstaltungen genutzt werden können. Auf Anfrage werden geschulte Polizisten als Referenten vermittelt. Seit Beginn der Kampagne vor sechs Monaten wurden bereits 70 Vorträge gehalten. Die Zahl der Anzeigen hat laut Ministerium deutlich zugenommen. Mehr Infos: Externer Link:www.saarland.de/enkeltrick